Vorsteuerabzug nur mit Besitz einer Rechnung – aber was gilt als Rechnung?

04/01/2022

Marcus Vörös (marcus.voeroes@str-auren.de), Steuerberater. Mitglied des Auren-Teams VAT Experts – unsere Experten für Umsatzsteuer national und international

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit Urteil vom 21.10.2021 (C-80/20) klargestellt, dass der Steuerpflichtige eine Rechnung besitzen muss, um seinen Vorsteuererstattungsanspruch geltend zu machen. Dabei definiert der EuGH den Begriff einer Rechnung recht weit.

Sachverhalt: Im Jahr 2012 kaufte die Klägerin (eine Gesellschaft mit Sitz in Frankreich) Produktionsgeräte bei einer rumänischen Gesellschaft ein und erhielt Rechnungen mit rumänischer Umsatzsteuer, deren Erstattung die Klägerin beantragte. Der Antrag auf Erstattung dieser Vorsteuer wurde jedoch mit der Begründung abgelehnt, dass die vorgelegten Rechnungen nicht die gesetzlichen Rechnungsanforderungen erfüllten. Anschließend stornierte die rumänische Gesellschaft diese fehlerhaften Rechnungen und stellte im Jahr 2015 neue Rechnungen aus. Die Klägerin beantragte auf der Grundlage dieser Rechnungen die Vorsteuererstattung für den Vergütungszeitraum 2015. Dieser Erstattungsantrag wurde aber mit der Begründung abgelehnt, dass die Vorsteuer den falschen Besteuerungszeitraum betraf und über die Vorsteuererstattung auch bereits bestandskräftig entschieden worden sei. Gegen diese Ablehnung klagte die französische Gesellschaft vor dem rumänischen Gericht. Das rumänische Finanzgericht hatte verschiedene Auslegungszweifel, wandte sich daher dem EuGH mit der Frage zu, welcher Zeitpunkt für die Erstattung der Vorsteuer in diesem Fall maßgeblich sei.

Hintergrund: Der EuGH hatte sich in der Vergangenheit bereits mehrfach mit der Bedeutung der Rechnung für den Vorsteuerabzug beschäftigt. In den beiden Urteilen vom 15.09.2016 (Senatex,
C-518/14 und Barlis, C-516/14) hat der EuGH die Anforderungen an eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung, insbesondere bei fehlerhaften oder fehlenden Angaben, zu Gunsten des Steuerpflichtigen gelockert. Im nachfolgenden Urteil des EuGHs vom 21.11.2018 (Vădan, C-664/16) klang sogar durch, dass die Vorlage von Rechnungen für den Vorsteuerabzug nicht einmal zwingend erforderlich sei.

Urteil: In seiner aktuellen Entscheidung geht der EuGH zunächst auf einige wesentliche Grundsätze des Vorsteuerabzugs ein. Dabei stellt der EuGH erneut klar, dass die Vorsteuer grundsätzlich im gleichen Zeitraum entsteht, in dem auch die Steuerpflicht des zugrundeliegenden Umsatzgeschäfts entsteht. Der Vorsteuerabzug darf jedoch erst in dem Zeitraum ausgeübt werden, in welchem der Steuerpflichtige über eine Rechnung im Sinne des Umsatzsteuerrechts verfügt. Unschädlich ist grundsätzlich, wenn die Rechnung nicht alle formalen Anforderungen des Umsatzsteuerrechts erfüllt. Es liegt jedoch keine Rechnung vor, wenn das Dokument so fehlerhaft ist, dass der nationalen Steuerverwaltung die zur Begründung eines Erstattungsantrags erforderlichen Angaben fehlen.

Im vorliegenden Fall waren die 2012 ausgestellten Rechnungen aber ausreichend gewesen, um eine Rechnung nach o. g. Definition darzustellen. Damit haben die rumänischen Behörden die Vorsteuervergütung für 2012 zu Unrecht abgelehnt. Allerdings hatte die Klägerin keinen Rechtsbehelf gegen diese Ablehnung eingelegt. Daher war der Besteuerungszeitraum 2012 bereits bestandskräftig und eine Erstattung war somit verfahrensrechtlich nicht mehr möglich. Die Frage, ob die Klägerin aufgrund der Annullierung der Rechnungen aus 2012 und der Neuausstellung im Kalenderjahr 2015 die Erstattung der Vorsteuer im Besteuerungszeitraum 2015 beantragen kann, lehnte der EuGH ab. Die Begründung dafür ist, dass eine Annullierung keine Auswirkung auf die Steuerentstehung in 2012 haben solle, weil ihr keine Änderungen hinsichtlich der zugrundeliegenden Lieferungen oder dem Entgelt zugrunde liegen. Praxishinweis: Das jüngste EuGH-Urteil hat wiederum den Grundsatz bekräftigt, dass der Vorsteuerabzug auszuüben ist, sobald ein Dokument – in Form einer Rechnung oder Gutschrift – vorliegt, welches die Anforderungen einer Rumpfrechnung erfüllt. Wichtig in diesen Fällen ist, dass dafür gesorgt wird, dass der Vertragspartner die fehlerhaften oder unvollständigen Angaben ergänzt bzw. richtigstellt. Vor diesem Hintergrund bleibt eine präzise Eingangsrechnungsprüfung weiterhin unverzichtbar und gewinnt aufgrund des Risikos eines Verlusts des Rechts auf Vorsteuerabzug – wie dies im vorliegenden Sachverhalt der Fall war – sogar noch an Bedeutung.

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