Haftung Vereinsvorstand

Haftung der Vereinsleitung bei Entzug der Gemeinnützigkeit

02/02/2024

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hessen hat sich mit der Frage befasst, wann Vorstände und Vereinsgeschäftsführer für den Schaden haften, der dem Verein dadurch entstanden ist, dass sie ihre Vermögensverwaltungsbefugnisse überschritten haben. Die Besonderheit in diesem Fall ist, dass das Gericht auch den Schaden aus dem Verlust der Gemeinnützigkeit in die Schadenshaftung einbezog.

Worum geht es?

Im konkreten Fall hatte der angestellte Geschäftsführer eines großen Vereins im Lauf von fünf Jahren Spenden in Höhe von insgesamt 935.500 Euro an eine andere gemeinnützige Einrichtung freigegeben. Geschäftsführerin dieser Einrichtung war eine Dame, die in dem Verein auf Honorarbasis beschäftigt war. Für die bezahlten Honorare hatte die Dame aber keine entsprechenden Leistungen erbracht. Außerdem hatte der Geschäftsführer Anwaltsrechnungen bezahlt, ohne dass dafür Tätigkeitsnachweise vorlagen.

Im Rahmen einer Außenprüfung entzog das Finanzamt dem Verein die Gemeinnützigkeit, weil es einen Verstoß gegen das Selbstlosigkeitsgebot sah und rügte Buchhaltungsmängel. Den Honorarzahlungen habe keine entsprechende Dienstleistung der Honorarempfängerin gegenübergestanden.

Der Verein verklagte den Geschäftsführer auf Schadenersatz, sowohl bezüglich der Spenden und Anwaltshonorare als auch wegen des Schadens aus dem Verlust der Gemeinnützigkeit. Allein dieser Schaden wurde auf 582.977 Euro beziffert.

LAG verurteilt Vereinsgeschäftsführer

Das Gericht gab dem klagenden Verein Recht und verurteilte den Geschäftsführer in allen genannten Schadensfällen zu Schadenersatz (LAG Hessen, Urteil vom 16.10.2023, Az.  16 Sa 1733/22).

Die generellen Haftungsgrundsätze

Vereinsvorstände bzw. Geschäftsführer mit ent­sprechender Ermächtigung dürfen den Verein in allen Rechtsgeschäften nach außen vertreten. Das bedeutet aber nicht, dass diese Geschäfte im Innenverhältnis nicht genehmigt werden müssen.

Hier gilt grundsätzlich:
Nicht genehmigungspflichtig sind Geschäfte im „gewöhnlichen Geschäftskreis“. Das sind solche, die vom Vorstand bisher getätigt wurden, ohne dass die Mitgliederversammlung, die darüber Kenntnis hatte, widersprach. Der gewöhnliche Geschäftskreis ergibt sich dabei aus dem, was in zurückliegenden Jahren unbeanstandet gemacht wurde. Das LAG sah sowohl eine vertragliche Haftung aus dem Anstellungsverhältnis also auch eine gesetzliche Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB.

Darum bejahte das LAG die vertragliche Haftung nach § 280 BGB

Die vertragliche Haftung folgt dabei aus § 280 Abs. 1 S. 1 BGB. Nach dieser Vorschrift hat der Schuldner, der eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt, dem Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens zu leisten. Das zugrundliegende Schuldverhältnis ergab sich aus dem Geschäftsführervertrag. Der regelte, dass der Geschäftsführer die Geschäfte nach Maßgabe der Gesetze und der Leitsätze und der Satzung des Vereins führt. Damit war die Einhaltung der Vorgaben des Gemeinnützigkeitsrechts eingeschlossen.

Das LAG stellt dabei klar, dass die Außenvertretungsbefugnis nicht ausreicht, damit der Ge­schäftsführer eine – haftungsbefreiende – Erlaubnis für sein Handeln hat. Er braucht die Erlaubnis auch im Innenverhältnis.

Hier muss das Handeln des Geschäftsführers stets darauf gerichtet sein, die Interessen des Vereins zu wahren. Das bedeutet, dass er die wirtschaftliche Lage des Vereins im Blick haben musste. Dass die Spenden grundsätzlich gemeinnützigkeitsrechtlich zulässig waren, genügt nicht. Der Geschäftsführer – so das LAG – hatte bei Vornahme der Spenden die Liquiditätslage des Vereins nicht berücksichtigt.

Der Geschäftsführer handelte außerdem vorsätzlich. Ihm war bewusst, dass im Hinblick auf die satzungsgemäßen Zwecke des Vereins derart umfangreiche Spenden eine Verletzung seiner bestehenden Pflichten aus dem Geschäftsführervertrag darstellten. Dabei musste ihm auch der entstehende Schaden bewusst sein.

Um das zu verdeutlichen, stellte das LAG die in den betreffenden Jahren getätigten Spenden ins Verhältnis zum jeweiligen Jahresgewinn. Teils überschritten die Spenden den Jahresgewinn deutlich. Teils erfolgten Spenden trotz eines Jahresverlustes. Damit war für das Gericht klar, dass die Spenden dem Verein in erheblichem Umfang Liquidität entzogen. Das verletzte seine wirtschaftlichen Interessen in gravierender Weise.

Darum bejahte das LAG auch die gesetzliche Haftung nach § 823 BGB

Das Gericht sah auch eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB (gesetzliche Haftung). Danach haftet der Schädiger, wenn er bei Verursachung des Schadens gegen ein Gesetz verstößt, das einen anderen schützen soll. Diese Schutzregelung war im konkreten Fall § 266 Abs. 1 des Strafgesetzbuchs (Untreue). Die dafür erforderliche Tatbestandsmerkmale waren für das LAG erfüllt: Der Geschäftsführer hatte die Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen. Diese Befugnis hatte er missbraucht, indem er im Außenverhältnis zwar wirksam, d. h. im Rahmen der ihm eingeräumten Vertretungsmacht handelte, die sich im Innenverhältnis ergebenden Beschränkungen aus § 241 Abs. 2 BGB aber nicht hinreichend beachtete. Dem Verein entstand dadurch ein Vermögensnachteil, der sich unmittelbar aus den treuwidrigen Handlungen ergab.

Schadenersatz aus Verlust der Gemeinnützigkeit

Die Besonderheit in diesem Fall war, dass der Vermögensschaden, den der Geschäftsführer verursachte, zum Entzug der Gemeinnützigkeit führte. Das LAG war der Auffassung, dass der Geschäftsführer auch für den dadurch entstandenen Schaden haftet.

Wichtig:
Die dafür angesetzte Schadenssumme von 582.977 Euro hat das Gericht nicht näher aufgeschlüsselt. Grundsätzlich ergibt sie sich aus der Nachversteuerung, die auf den Entzug der Gemeinnützigkeit folgt. Sie wird sich insbesondere auf den Wegfall der Zweckbetriebsbegünstigung – also Körperschaft- und Gewerbesteuer – beziehen. Dazu kommt evtl. ein Wegfall der Umsatzsteuerbefreiung bzw. des ermäßigten Steuersatzes. Das Gericht sah hier eine unzweifelhafte Verursachung durch das Handeln des Geschäftsführers. Mit den ohne ersichtliche Gegenleistung bezahlten Honoraren verstieß der Verein gegen das Gebot der Selbstlosigkeit. Deshalb entzog das Finanzamt dem Verein die Gemeinnützigkeit. Damit war auch der Haftungstatbestand des § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266 Abs. 1 StGB erfüllt. Der Geschäftsführer hatte zwar im Außenverhältnis wirksam aufgrund des Geschäftsführervertrags gehandelt, aber im Innenverhältnis seine Pflichten gegenüber dem Verein vorsätzlich verletzt.

Die Konsequenz für die Praxis

Im Urteilsfall war der vorsätzliche Missbrauch der Geschäftsführungsbefugnisse offensichtlich. In der Praxis wird sich für Vereinsvorstände und Geschäftsführer aber eher die Frage stellen, ob auch durch bloße Fehler in der Vermögensverwaltung – also durch Fahrlässigkeit – eine Haftung entstehen kann. Hier wird es auf den Einzelfall ankommen.

Praxistipp:
Das Urteil zeigt aber auch, wie sich die Vereinsleitung einer solchen Haftung entziehen kann. Liegt die Zustimmung von Vorstand bzw. Mitgliederversammlung vor, ist eine Haftung durch Überschreitung der Geschäftsführungsbefugnisse grundsätzlich ausgeschlossen. Hier kommt es aber darauf an, dass die zuständigen Organe ausreichend informiert wurden. Unabhängig davon, ob sie eine ausdrückliche Entlastung erteilt haben, ist dann eine Schadenshaftung ausgeschlossen. Das gilt auch für den Straftatbestand der Untreue.

Quelle: IWW Verlag

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