Details zur Abschaffung der zeitnahen Mittelverwendung bei Einnahmen unter 45.000 Euro

03/12/2021

Marion Triess (marion.triess@rtg-auren.de), Wirtschaftsprüferin und Steuerberaterin

Die zeitnahe Mittelverwendung gilt nur noch für gemeinnützige Einrichtungen mit jährlichen Einnahmen von mehr als 45.000 Euro. § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO wurde durch das JStG 2020 entsprechend ergänzt. Nach dieser Regelung müssen steuerbegünstigte Körperschaften alle Mittel spätestens bis Ende des übernächsten auf den Zufluss folgenden Kalender- oder Wirtschaftsjahrs für die satzungsmäßigen Zwecke verwenden. Das BMF hat jetzt den Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) geändert und in der neuen Nr. 30 zu § 55 AO mitgeteilt, wie es die Neuerung umsetzt.

Worauf bezieht sich die 45.000 Euro-Grenze?

Die Grenze von 45.000 Euro bezieht sich auf die Gesamteinnahmen. Gesamteinnahmen sind die kumulierten Einnahmen des ideellen Bereichs, des Zweckbetriebs, der Vermögensverwaltung und des steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs.

Das Zuflussprinzip

Wie auch sonst bei der zeitnahen Mittelverwendung gilt das Zuflussprinzip. Es kommt also allein auf den Zeitpunkt an, zu dem der Verein die Mittel einnimmt. Der AEAO verweist auf § 11 EStG. Demnach gelten auch regelmäßig wiederkehrende Einnahmen, die kurze Zeit vor Beginn oder nach Ende des Kalenderjahrs zufließen, zu dem sie wirtschaftlich gehören, als Einnahmen dieses Kalenderjahres. Als „kurze Zeit“ gilt ein Zeitraum von zehn Tagen.

Was zählt alles zu den „Einnahmen“?

Nach Auffassung der Finanzverwaltung gehören zu den Einnahmen im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO alle Vermögensmehrungen, die dem Verein zufließen – also nicht nur Geldmittel.

Das gilt für Vermögenszuführungen

In die Obergrenze eingerechnet werden also auch solche Einnahmen, die grundsätzlich nicht der zeitnahen Mittelverwendung unterliegen. Das gilt insbesondere für Vermögenszuführungen nach
§ 62 Abs. 3 AO.

Das gilt für Spenden

Einzurechnen wären demnach auch Sachspenden, weil durch den Eigentumsübergang ein Mittelzufluss erfolgt. Nicht dazu gehören dagegen Aufwandsspenden und andere Erträge, die durch einen Verzicht auf die Begleichung von Forderungen entstehen. Hier wird zwar das Vermögen des Vereins vermehrt (durch Verringerung der Ausgaben). Es fehlt aber am Mittelzufluss. Als Aufwandsspende im engeren Sinn gilt nur der Verzicht auf Aufwandsersatz. Unter Geldspenden ohne Mittelzufluss fällt aber z. B. auch der (teilweise) Verzicht auf die Begleichung gestellter Rechnungen oder fälliger Gehälter.

Beispiel: Ein Webdesigner stellt dem Verein für seine Leistungen eine Rechnung über 1.200 Euro brutto. Er verzichtet zugunsten einer Spendenbescheinigung auf 300 Euro des Rechnungsbetrags. Die Spende wird zwar als Ertrag in der Buchhaltung erfasst. Sie stellt aber keinen Mittelzufluss dar und wird deswegen nicht in die 45.000-Euro-Grenze eingerechnet.

Nicht zu den Einnahmen in diesem Sinne gehören Mittel, die wegen einer Umschichtung zwischen den steuerlichen Bereichen zeitnah verwendet werden müssen, ohne dass ein Zufluss von außen erfolgt.

Beispiel: Die Einrichtung hat ein Anlagegut (z. B. ein Fahrzeug) bisher im ideellen Bereich verwendet. Künftig wird es im steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb eingesetzt (etwa, weil es überwiegend vermietet wird). Sie müssen deswegen freie Rücklagen in Höhe des Zeitwerts auflösen. Diese Umschichtung stellt keinen Zufluss dar.

Praxistipp: Da es auf den Zuflusszeitpunkt ankommt, hat der Verein einen gewissen Gestaltungsspielraum. Sie können z. B. Rechnungen, die gegen Ende des Jahres fällig sind, so spät stellen, dass die Bezahlung ins neue Jahr fällt, oder Sie können die Rechnungsempfänger bitten, erst im neuen Jahr zu zahlen.

Das Bruttoprinzip

Da es auf den Einnahmenzufluss ankommt, werden die Bruttoeinnahmen (einschl. Umsatzsteuer) zugrunde gelegt. Dazu werden die Einnahmen aller steuerlichen Bereiche zusammengerechnet. Auch Mittel, die nach den Regelungen des § 62 AO nicht zeitnah verwendet werden müssen, werden eingerechnet. Die Berechnung gilt unabhängig davon, wie der Verein Zuflüsse ertragsteuerlich behandelt – etwa, weil er bilanziert und Einnahmen teilweise nicht dem Jahr zugeordnet werden, in dem sie zufließen.

Beispiel: Als Einnahmen in diesem Sinne gelten z. B. auch Umsatzsteuererstattungen des Finanzamts.

45.000-Euro-Grenze wird in einem Jahr überschritten

Die neue Regelung des § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO hatte im Gesetzestext die Frage offengelassen, welche Folgen eine Überschreitung der 45.000-Euro-Grenze hat. Ob also die zeitnahe Mittelverwendung dann für alle Mittel gilt oder nur für diejenigen, die im Jahr der Überschreitung zugeflossen sind.


Hier hat die Finanzverwaltung eine Klarstellung zugunsten der gemeinnützigen Einrichtungen getroffen: In den Jahren, in denen die Einnahmen unter der 45.000-Euro-Grenze bleiben, ist für sämtliche vorhandene Mittel die Pflicht zur zeitnahen Mittelverwendung ausgesetzt.

Wird die Grenze in einem Jahr überschritten, gilt die zeitnahe Mittelverwendung nur für die Zuflüsse dieses Jahres. Die in anderen Jahren angesammelten Mittel müssen weiterhin nicht zeitnah verwendet werden.

Beispiel: Ein Verein hat 2019 Gesamteinnahmen von 44.000 Euro. Der Überhang an nicht verwendeten Mitteln beträgt 3.000 Euro. In 2020 sind es 43.000 Euro Einnahmen und 2.000 Euro Überhang. 2021 46.000 und 2.000 Euro Überhang.

Folge: Die Mittelüberhänge aus 2019 fallen noch unter die alte Regelung und müssen bis Ende 2021 verwendet werden. Der Überhang aus 2020 kann ohne Rücklagennachweis auf unbegrenzte Zeit angespart werden. Die überhängigen Mittel aus 2021 müssen bis Ende 2023 zweckgebunden verwendet werden.

Die praktischen Folgen für die Rechnungslegung

Da es bei der Frage, ob die 45.000-Euro-Grenze überschritten wurde, auf die Einnahmen ankommt, kann die Einnahmen-Überschuss-Rechnung (EÜR) zugrunde gelegt werden. Hier decken sich die ausgewiesenen Erträge weitgehend mit den tatsächlichen Mittelzuflüssen.

Da in der EÜR auch Sach- und Aufwandsspenden ausgewiesen werden, soweit eine Zuwendungsbetätigung ausgestellt wurde, muss der Überschuss in der EÜR nur um den Betrag der Aufwandsspenden und ähnlicher Erträge korrigiert werden, um zu den insgesamt zugeflossenen Mitteln des Jahres zu kommen.

Praxistipp: Jeder Verein sollte deswegen Aufwandsspenden und Geldspenden, die durch einen Verzicht auf die Begleichung von Zahlungsansprüchen entstanden sind, in der Buchhaltung getrennt erfassen.

Fazit: Mit der neuen Freigrenze will der Gesetzgeber kleinere Vereine von unnötiger Bürokratie entlasten. In der Praxis wird die Neuregelung keine große Entlastung bringen, weil gerade Einrichtungen mit so kleinem Gesamtbudget wenig Möglichkeiten haben, Rücklagen zu bilden. In den meisten Fällen prüft das Finanzamt die zeitnahe Mittelverwendung hier ohnehin nicht. Zumindest dann nicht, wenn nicht über Jahre hinweg nennenswerte Überschüsse erzielt werden.

Quelle: IWW Verlag

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