Online-Handel drittländischer Unternehmen in Deutschland

20/07/2023

Jerina Kelava (jerina.kelava@rtg-auren.de), Steuerberaterin. Mitglied des Auren-Teams VAT Experts – unsere Experten für Umsatzsteuer national und international

Die Beratungspraxis zeigt, dass Deutschland für viele drittländische Online-Händler (vorne voran Schweizer Unternehmen) ein attraktiver Ausgangspunkt für eine Erweiterung des Absatzmarktes in andere EU-Mitgliedstaaten ist.

Aufgrund der bestehenden Komplexität des Umsatzsteuerrechts, bedarf es für eine erfolgreiche EU-Expansion einer vorherigen Analyse der Geschäftsprozesse des expandierenden Unternehmens und einer guten Planung der logistischen Abläufe, um Umsatzsteuerrisiken zu vermeiden.

Ausgehend von der Nutzung eines Fulfillment-Lagers in Deutschland und in der Annahme, dass der drittländische Online-Händler sowohl über seinen eigenen Webshop als auch über die elektronische Schnittstelle „Amazon“ Waren an Kunden innerhalb der EU ausgehend von seinem deutschen Fulfillment-Lager vertreiben wird, sind umsatzsteuerliche Besonderheiten zu beachten (Besonderheiten im Zusammenhang mit der Einfuhrabwicklung in Deutschland sind nicht Gegenstand des Beitrags und müssen vor einer geplanten EU-Expansion geprüft werden).
Dabei ist zu unterscheiden, ob es sich um B2B- oder B2C-Transaktion handelt und über welches Online-Portal die Kunden ihre Bestellung abgeben (eigener Webshop versus elektronische Schnittstelle).

1. Bestellung über einen Online-Shop des Händlers

In Abhängigkeit des Warenwegendes ergeben sich folgende umsatzsteuerliche Konsequenzen:

a) für B2B-Konstellationen

BestimmungslandUmsatzsteuerliche FolgenMeldepflichten
DeutschlandSteuerbar und steuerpflichtig in DeutschlandUmsatzsteuermeldung
EU-Mitgliedstaat (nicht Deutschland)Steuerbar in DE, aber steuerfrei, sofern Tatbestand einer innergemeinschaftlichen Lieferung erfülltUmsatzsteuermeldung,
ggf. Zusammenfassende Meldung, ggf. Intrastatmeldung

b) für B2C-Konstellationen

BestimmungslandUmsatzsteuerliche FolgenMeldepflichten
DeutschlandSteuerbar und steuerpflichtig in
Deutschland
Umsatzsteuermeldung
EU-Mitgliedstaat (nicht Deutschland)Steuerbar im Bestimmungsland*OSS-Meldung in Deutschland,
ggf. Intrastatmeldung

*Der Versand von Waren aus Deutschland in einen anderen EU-Mitgliedstaat als Deutschland an eine Privatperson ohne Transportverantwortung gilt als innergemeinschaftlicher Fernverkauf. Für diese Umsatzart gilt die Besonderheit, dass sich bei Überschreitung eines EU-weiten Schwellenwerts von 10.000 EUR der Lieferort von Deutschland in das jeweilige EU-Bestimmungsland verlagert (sog. Fernverkaufsregelung). Da Online-Händler diese Umsatzgrenze in der Regel überschreiten, haben sie die Fernverkaufsregelung zu beachten, welche eine umsatzsteuerliche Registrierung im jeweiligen Bestimmungsland der Warenversendung bedingt, da der Online-Händler für die Warenlieferung an den Kunden lokale Umsatzsteuer des Bestimmungslandes abzuführen hat. 

Um zahlreiche Registrierungen und die Abgabe vielzähliger lokaler Umsatzsteuermeldungen im EU-Ausland zu vermeiden, ist das One-Stop-Shop-Verfahren (OSS-Verfahren) vorgesehen. Der drittländische Online-Händler hat sich daher beim Bundeszentralamt für Steuern für die Teilnahme am OSS-Verfahren rechtzeitig vor Bewirkung von innergemeinschaftlichen Fernverkäufen zu registrieren.

2. Bestellung über eine elektronische Schnittstelle

Bestellt ein Kunde ohne Angabe einer USt-ID-Nr. über Amazon Waren bei einem drittländischen Händler und wird die Ware entweder innerhalb Deutschlands oder grenzüberschreitend von Deutschland in ein anderes EU-Land versendet, so ergibt sich im Vergleich zu den Ausführungen unter Gliederungspunkt 1 eine signifikante Abweichung:

Obwohl das Einkaufsgeschäft zivilrechtlich nur zwischen dem Kunden und dem drittländischen Händler zustande gekommen ist, wird umsatzsteuerlich ein fiktives Reihengeschäft zwischen dem Online-Händler, Amazon und dem Kunden angenommen.

In Folge dieser umsatzsteuerlichen Besonderheit erbringt der Online-Händler eine Lieferung an Amazon und Amazon wiederum an den Kunden. Entsprechend gestalten sich die Abrechnungswege.

Unabhängig von der Transportveranlassung qualifiziert die Lieferung des Online-Händlers an Amazon ausnahmslos als ruhende Lieferung, die dort steuerbar ist, wo der Warenweg beginnt, somit in Deutschland. Da eine echte Steuerbefreiung (mit Vorsteuerabzugsmöglichkeit) greift, ist keine deutsche Umsatzsteuer auf diese fiktive Lieferung abzuführen. Allerdings befreit dies den Händler nicht von der Meldepflicht des Umsatzes in der deutschen Umsatzsteuermeldung.

Fazit

Die Steuerbarkeit der Transaktionen in Deutschland oder die Anwendung des OSS-Verfahrens durch den drittländischen Online-Händler bedingen dessen rechtzeitige umsatzsteuerliche Registrierung in Deutschland. 

Da je nach Einzelfall weitere Transaktionsarten als die oben angesprochenen im Rahmen des Online-Handels (auch unerkannt) in Erscheinung treten können, ist eine umfassende steuerliche Beratung vor Durchführung des EU-Expansionsprojektes unerlässlich, um signifikante Umsatzsteuerrisiken im In- und Ausland zu vermeiden.



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